Interview mit Petra Wittenberg: Mut zum kalkulierten Risiko: Wie frau es von ganz unten nach ganz oben schafft
Interview mit Petra Wittenberg, Gewinnerin des belladonna Gründerinnenpreises 2012
Interview und Text von: Janina Kovacs, belladonna Praktikantin 2019
Heute ist Petra Wittenberg da, wo sie immer hinwollte: Sie ist eine unabhängige Geschäftsfrau. Ihr Konzept, Kunst und Übernachtungsmöglichkeiten zu verbinden, lockt Gäste aus der ganzen Welt nach Bremen. „Wir sind kein Hotel, auch keine Pension, sondern ein lässiger Mix“, sagt Petra selbst über den Stil ihres Unternehmens ARTE|P|73, mit dem sie bereits mehrfach expandiert hat. Petra beschäftigt außerdem fünf Mitarbeiter_innen, die ihr bei der Büroarbeit helfen oder sich um das Housekeeping in ihren 26 Gästezimmern an zwei Bremer Standorten kümmern.
Ist 2012 mit dem Gründerinnenpreis von belladonna ausgezeichnet worden: Petra Wittenberg, hier in ihren Büro-Räumen in der Bremer City.
Der große Cut: Für immer weg von der Arbeitslosigkeit
Doch so schön und reibungslos wie die Geschichte der belladonna Gründerinnenpreisträgerin 2012 klingt, lief es nicht immer bei der 61-Jährigen. Petra hat schon ganz andere Zeiten in ihrem Leben erlebt. Zeiten, in denen sie alleinerziehend war und ihre Tochter und sich mit geringfügigen Beschäftigungen über Wasser halten musste. „In den Medien werde ich gerne mit dem berühmten Tellerwäscher verglichen, der sich zum Millionär hochgearbeitet hat.“ Ein etwas abgedroschenes Bild, findet Petra, aber dennoch „völlig okay“. Schließlich sei genau dies mit Mitte 40 ihre Perspektive gewesen. „Meine Geschichte ist natürlich nicht ganz so krass, aber die Idee ist gleiche. Wenn ich nichts geändert hätte, hätte ich mich dauerhaft auf Hartz IV beziehungsweise das Tellerwaschen einstellen können.“
Doch von da wollte Petra unbedingt weg. Sie verabschiedete sich von dem Leben als Hartz IV-Empfängerin und machte außerdem Schluss mit dem Gastronomie-Gewerbe, in dem sie die meiste Zeit ihres Lebens gearbeitet und sich mit früheren Selbstständigkeiten sogar einen Namen in Bremen gemacht hatte. Das Café Frida in der Neustadt ist ein Beispiel dafür. „Es gehört wohl einfach zu meinem Leben dazu, dass ich verschiedene Projekte anschiebe, sie zum Erfolg bringe und anschließend verkaufe.“ Mit 46 Jahren sei sie wieder an so einem Wendepunkt gewesen: „Meine Tochter war aus dem Haus und ich wollte einen großen Cut machen, alles von links nach rechts krempeln und wie gesagt, für immer weg von der Arbeitslosigkeit.“
Was folgte, war ein Quereinstieg im Kunstverein Pro Art. Petra stolperte mitten in die Bremer Kunst-Szene hinein, in der sie verschiedene Künstler_innen kennenlernte. „Dadurch, dass ich mich viel mit Kunst beschäftigt habe, ist die Idee entstanden, Kunst mit Übernachtungsmöglichkeiten zu verbinden“, berichtet Petra, die außerdem gerne reist und mit Menschen zu tun hat.
ARTE|P|73, das steht für Kunst, Petras Vornamen und die Hausnummer 73 in der Bremer Pappelstraße, in der Petra ihre ersten vier Ferienwohnungen eröffnete (Foto: Petra Wittenberg).
Von der Idee zur Umsetzung: Ein steiniger Weg
Die Umsetzung ihrer Idee sei anfangs allerdings noch steinig gewesen, erinnert sich die Unternehmerin: „Mein Geld war knapp und die Idee damals noch sehr selten, weshalb mich das Jobcenter anfangs auch nicht unterstützen wollte.“ Nach mehreren Monaten Überzeugungsarbeit und einem privaten Kredit der Familie konnte Petra 2007 schließlich doch vier Zimmer in der Pappelstraße eröffnen – Hausnummer 73, von der auch der Name ihres Unternehmens herrührt.
„belladonna hat mich ein ganzes Stück selbstbewusster gemacht!“
Petra, Du musstest anfangs große Überzeugungsarbeit leisten, um Deine Idee vom Übernachten mit Kunst in die Tat umzusetzen. Was hat es Dir im Gegenzug bedeutet, von einer Einrichtung wie belladonna unterstützt zu werden?
belladonna ist für mich eine Art Schwester im Geiste, würde ich sagen. Zuerst einmal liebe ich die Idee, dass sich Frauen miteinander vernetzen und unterstützen. Denn nur gemeinsam sind wir stark! Mich selbst hat belladonna außerdem ein ganzes Stück selbstbewusster gemacht.
Inwiefern?
Ich hätte vorher nie gedacht, dass ich den Preis gewinne. Das Selbstvertrauen hatte ich gar nicht. Es gab so viele Frauen mit so vielen tollen Ideen. ‚Warum hätte ich oben auf dem Treppchen stehen sollen?‘, dachte ich. Ich wollte ’nur‘ mitmachen, vielleicht ein paar neue Kontakte knüpfen… Als es dann doch so gekommen ist, war ich unglaublich stolz auf die Anerkennung und natürlich auch auf mein Projekt. Ich weiß noch ganz genau, wie mich Maren Bock in ihrer Rede für mein durchdachtes Handeln auf meinem steinigen Weg gelobt hat. Sie hat gesagt, dass sie überzeugt davon ist, dass ich mich lange auf dem Markt halten werde. Das hat mir sehr viel Kraft gegeben.
Und wie hat sich der Gründerinnenpreis auf Dein Unternehmen ausgewirkt?
Er hat mich finanziell aufgebaut. Ich konnte es mir mit dem Geld erlauben, ein weiteres Objekt zu eröffnen und noch mal zu expandieren, was ich ohnehin immer sehr langsam und mit viel Bedacht gemacht habe, alles Step by Step.
Außerdem habe ich durch den Preis viel Aufmerksamkeit von der Presse bekommen, da die Verleihung sehr in der Öffentlichkeit steht; belladonna bekommt die Kommunikation immer ausgesprochen gut hin, finde ich. Je mehr Menschen dich ansprechen, je mehr Artikel über dich geschrieben werden, je mehr Radiosendungen du bekommst, desto bekannter wirst du in der Stadt und darüber hinaus. Das ist ein Schneeballsystem.
Bunt, schrill, alternativ, lässig und gemütlich. Die Einrichtung von Petras Gästezimmern ist nicht nur individuell, sie spiegelt auch ihre eigene Persönlichkeit wider (Foto: Petra Wittenberg).
„Erfolg ist ein Energiegeber für mich.“
Du hast früher mit vier Zimmern in der Neustadt angefangen. Heute hast Du 26, davon einige in der City. Was ist Dein Erfolgsrezept?
Ich glaube, dass ich mit meiner Idee zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen bin und mit den richtigen Menschen zusammengearbeitet habe. Außerdem hatte ich ein bisschen Ahnung von Kunst und immer das Glück, von vielen Künstler_innen unterstützt zu werden, vor allem von meinem Partner. Weil das alles zusammengepasst hat, bin ich heute ein erfolgreiches Unternehmen, das kann man einfach so sagen. Ich hoffe, dass das auch so bleibt.
Ist Dir Erfolg sehr wichtig?
Nun, ich fahre immer noch meinen Renault Kangoo und keine Mercedes-S-Klasse. Das passt nicht zu mir, das bin ich nicht und das brauche ich auch nicht. Aber ich mag es, erfolgreich zu arbeiten. Das ist eine total schöne und motivierende Sache. Erfolg ist ein Energiegeber für mich.
Welche Eigenschaften braucht es Deiner Meinung nach, um selbst zu gründen und im besten Fall auch noch so erfolgreich zu sein?
Das Wichtigste ist Risikobereitschaft, finde ich, beziehungsweise Mut zum kalkulierten Risiko. Als Gründerin darfst du nie deine Zahlen aus den Augen verlieren! Falls du kein kaufmännisches Wissen hast, musst du es dir aneignen, zumindest die Grundlagen. Und ganz klar: Du musst brennen für deine Idee oder ein Projekt, das du übernehmen willst! Sonst wird das Ganze nicht authentisch, was wiederum auch andere merken würden…
Daneben fällt mir noch der völlig abgenudelte und nervige Spruch ‚Selbstständigkeit kommt von selbst und ständig‘ ein. Aber leider ist das so, gerade am Anfang. 6- oder 8-Stunden-Tage gibt es da nicht. Ich zum Beispiel habe immer darauf geachtet, genügend zu schlafen, weil mein Leben nur noch daraus bestand: Arbeit, schlafen, Arbeit, schlafen. Und essen natürlich. Aber alles andere stand hinten an.
Klingt nach mehr als viel Arbeit. Würdest Du anderen Frauen dennoch zu diesem Schritt raten?
Wenn ihre Idee innovativ und gut durchdacht ist, ja. Am Anfang sollten sie vielleicht ein Praktikum im entsprechenden Bereich machen und gucken, ob es ihnen da wirklich so gut gefällt, wie sie denken.
Angenommen, das tut es…
…dann machen!
Das war kurz und schmerzlos.
Ist es ja auch. Wie gesagt, potentielle Gründerinnen brauchen den Mut für ein kalkuliertes Risiko. Außerdem gibt es tolle Anlaufstellen wie belladonna und andere Frauen, die ihnen zur Seite stehen und auch später noch für sie da sind.
Danke für das nette Gespräch, Petra!
Petra Wittenberg und Maren Bock bei der belladonna Gründerinnenpreisverleihung 2012.
belladonna Gründerinnenpreis
Weitere Informationen zu unserem belladonna Gründerinnenpreis, seiner Geschichte und unseren Preisträgerinnen:
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